Im Dezember 2015 haben wir uns mit einem Antrag an die Stadtratsfraktionen der Linkspartei und kurz darauf von Bündnis 90/Die Grünen gewandt, um die Einführung eines „kommunalen Wildtierverbotes für Zirkusse“* in Dresden zu erreichen. Um sich selbst und der Öffentlichkeit eine umfassende Meinungsbildung zu ermöglichen, haben diese beiden Fraktionen zusammen mit der Stadtratsfraktion der SPD am 26.08.2016 eine öffentliche Podiumsdiskussion veranstaltet und unter anderem unseren 1. Vorsitzenden Matthias Bernickel stellvertretend für den Anima e. V. eingeladen.
Neben ihm nahmen auf dem Podium folgende Gäste Platz:
- Torsten Schmidt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bund gegen Missbrauch der Tiere e. V.
- Steffen Mehl, Amtsveterinär in Berlin
- Frank J. Keller, Mitarbeiter des Circus Krone
Der ebenfalls eingeladene Verhaltensforscher Dr. Immanuel Birmelin musste seine Teilnahme leider kurzfristig absagen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Eileen Mägel.
Eine eigentliche Diskussion zwischen den Podiumsteilnehmern konnte, entgegen aller Erwartungen, kaum stattfinden, da Frau Mägel nur selten Dialoge zwischen einzelnen Teilnehmern zuließ. So konnten die Podiumsteilnehmer leider nur eine Aneinanderreihung ihrer zu erwartenden konträren Standpunkten und Erfahrungen darlegen. Hierbei zeigte sich allerdings die gelungene Besetzung des Podiums: Torsten Schmidt konnte sich den Themenpunkten aus biologischer Sicht annehmen und einen Überblick über die Studienlage verschaffen, während Steffen Mehl auf die konkrete Situation und Tatsachenberichte seiner Arbeit eingehen konnte. Matthias Bernickel rundete die Betrachtung durch rechtliche Gesichtspunkte ab, indem er insbesondere die rechtlichen Begebenheiten erläuterte und aktuelle Rechtsprechung zum Thema Wildtiere im Zirkus zitierte.
Die zentralen Themen seitens des Publikums
Der 90-minütigen Podiumsdiskussion folgten gut 50 Zuhörerinnen und Zuhörer, die sich mit Fragen an die Podiumsgäste wenden konnten und davon auch rege Gebrauch machten. So zielten mehrere Fragen darauf ab, woran man Tierleid ausmacht bzw. ob und falls ja wie sich dieses bei Zirkustieren äußert.
Auch beschäftigten Sinn und Zweck eines „kommunalen Wildtierverbotes“ in Dresden das Publikum. Hierbei vertraten die Befürworter von Wildtieren im Zirkus die These, dass ein solches Verbot in keinster Weise einen Fortschritt für den Tierschutz bedeute. Da sich das Verbot nur auf städtische Flächen auswirke, würden die Zirkusse „einfach“ auf private Flächen ausweichen, wo sie mehr oder weniger tun und lassen könnten, was sie wollen.
Das Angebot an entsprechenden privaten Flächen ist allerdings rar gesät. Anderenfalls würden Zirkusse wohl auch schon jetzt private Flächen nutzen. Und unabhängig, ob kommunale oder private Fläche: Die Kontrolle durch Dresdner Amtsveterinäre bleibt gleichermaßen bestehen. Bei gleichbleibenden Kontrollmöglichkeiten wird es Zirkussen folglich erschwert bis unmöglich gemacht, ihre Darstellungen mit Wildtieren anzubieten. Deren Haltung wird sich daher mittelfristig nicht mehr rentieren und folglich eingestellt. Ein „kommunales Wildtierverbot“ stellt somit in jedem Fall einen Gewinn für den Tierschutz, eine Vorbildfunktion und einen wichtigen Schritt in Richtung eines bundesweiten Wildtierverbotes in Zirkussen dar. Auch würde einem „Wildtierverbot“ in Dresden eine deutschlandweite Signalwirkung zukommen, da sich nach Düsseldorf und Schwerin eine weitere Landeshauptstadt zu diesem Schritt entscheidet.
Zirkus mit oder ohne Wildtiere – so oder so ein emotionales Thema
Dass es für betroffene Zirkusse nicht so leicht sein würde auf private Flächen auszuweichen, wurde auch im weiteren Diskussionsverlauf unterstrichen. Die anfangs sehr sachliche Debatte heizte sich im Laufe der Zeit zunehmend auf. Während die Fragestellungen und Redebeiträge der „Verbots“-Befürworter durchweg ruhig und klar vorgetragen wurden, reagierten die „Verbots“-Gegner zunehmend hitzig und emotional. Insbesondere der anwesende Mario Müller-Milano, Direktor und Eigentümer des Dresdner Weihnachts-Circus, erschwerte durch fortwährende Zwischenrufe die Diskussion und riss diese, unbeeindruckt von den vielfachen Verwarnungen seitens der Moderatorin Frau Mägel, an sich. Frau Mägel gelang es hier lediglich festzustellen, dass Herr Müller-Milano seine sachlichen Argumente verloren hat.
Herr Müller-Milano bezeichnete Gegendemos zudem als kriminell und behauptete, dass diese einen Lärm von 122 Dezibel erreicht hätten. Eine Aussage, die uns sehr überrascht, emittiert bspw. ein Presslufthammer oder Gewitterdonner lediglich 120 Dezibel, ein Düsenjäger 130 Dezibel. Erstaunlich ist diese Aussage auch vor dem Hintergrund, dass vergangenes Jahr die durch Herrn Müller-Milano auf die Gegendemo gerichteten Lautsprecher selbige dermaßen übertönten, dass den Teilnehmern und Teilnehmerinnen selbst das Ordnungsamt zu Hilfe kam.
Auch forderte Herr Müller-Milano mehrfach, dass Zirkusunternehmen die Tiere entzogen werden sollten, wenn sie den Tierschutz nicht gewährleisten könnten. Ungewollt schoss er hierdurch auch gegen Circus Krone – selbst bei Europas größtem Zirkus wurden über die Jahre viele und zum Teil auch wiederholte Missstände sowohl veterinärmedizinisch als auch gerichtlich festgestellt. Den Worten von Herrn Müller-Milano folgend, würde der Circus Krone heute über deutlich weniger Tiere verfügen. Diese Meinung begrüßen und teilen wir.
Befürworter von Wildtieren im Zirkus versuchten wiederholt zu unterstellen, dass sich alle Anwesenden für den Tierschutz einsetzen und folglich dieselben Ziele verfolgen würden. Noch ehe die Podiumsgäste sich hierzu äußern konnten, gelang es jedoch bereits dem übrigen Publikum klarzustellen, dass die Befürworter von Wildtieren im Zirkusse offensichtlich eine konträre Definition von Tierschutz verwenden, denen sich die Mehrheit der Anwesenden weder anschließen kann noch will.
Während Dresden noch redet schafft Chemnitz Tatsachen
Mit der Podiumsdiskussion konnten wichtige Akzente für die öffentliche Meinungsbildung gesetzt werden. Es bleibt nun abzuwarten, ob und in wie weit die Dresdner Stadträte unser Thema umsetzen werden. Wir werden jedenfalls weiterhin einer breiten Öffentlichkeitsarbeit nachgehen und auf Entscheidungsträger einwirken. Die weiteren Schritte in Dresden bleiben in jedem Fall spannend. Wir werden natürlich über jeden Fortschritt auf dem Laufenden halten.
Nur fünf Tage nach der Podiumsdiskussion hat sich der Chemnitzer Stadtrat jedenfalls dafür entschieden, erneut ein „kommunales Wildtierverbot“ für Zirkusse einzuführen. Wir freuen uns über diesen Schritt und beglückwünschen unsere Chemnitzer Mitstreiter und Mitstreiterinnen.
*Es handelt sich im eigentlichen Sinne nicht um ein Verbot von Wildtieren. Stattdessen beantragen wir lediglich, dass in Dresden keine städtischen Flächen mehr an Zirkusse mit Wildtieren vergeben werden. Der Einfachheit halber nutzen wir den Ausdruck „Kommunales Wildtierverbot“ und stellen diesen sowie sinnverwandte Begrifflichkeiten in Anführungszeichen.