Ein deutscher Bundesbürger nimmt jährlich knapp 50kg Milch, 25kg Käse, 15kg Joghurt und ungefähr 6kg Butter zu sich [1]. 2020 produzierten in Deutschland 3,9 Millionen Milchkühe 33,3 Millionen Tonnen Milch [1]. Damit ist Deutschland einer der größten Milcherzeuger in der EU. Die Nachfrage stieg über die vergangenen 50 Jahre enorm an und verlangt den Kühen immer höhere Leistungen ab. Eine Kuh produziert im Jahr ca. 8,5 Tonnen Milch [1]. Das bedeutet einen Durchschnittswert von 23 abgegebenen Litern Milch täglich! Was jedoch oft nicht beachtet wird: Milchkühe sind Mütter und ihre Milch ist ein für ihre Kälber abgesondertes Körpersekret.
Muttertiere
Üblicherweise werden Hochleistungsmilchkühe künstlich mit Spermien von „Vererbern“, speziell gezüchteten Bullen, besamt. Nach einer neunmonatigen Schwangerschaft kommt ihr Kalb zur Welt, welches in der Milchindustrie aber nur als Mittel zum Zweck verstanden wird. Die Kälber dürfen maximal wenige Tage bei ihrer Mutter bleiben und ihre Milch trinken, bevor sie voneinander getrennt werden [6], oder sie werden direkt nach der Geburt von ihrer Mutter getrennt.Das liegt zum einen daran, dass die Mutterkühe sonst weniger Milch geben würden, zum anderen aber auch daran, dass die Milch durch die Zucht mittlerweile doppelt so viel Fett aufweist wie ein Kalb benötigt [7]. Ein regelmäßiges Trinken dieser Milch würde bei den Kälbern zum verstärkten Ansetzen von Fett und erhöhtem Durchfallrisiko führen.
Die Trennung von Mutter und Kind ist für die sozialen, sensiblen Tiere eine traumatische Erfahrung.
Im Laufe ihres Lebens gebärt eine Hochleistungsmilchkuh drei bis fünf Kälber und unterliegt somit ab ihrem zweiten Lebensjahr einem nicht endenden Kreislauf von Trächtigkeit und Laktation [2]. Ein paar Wochen nach der Geburt eines Kalbes wird die Mutterkuh also erneut geschwängert, um wirtschaftlich rentabel zu bleiben.
Was passiert mit den Kälbern?
In Deutschland werden jährlich ungefähr 4 Mio. Milchkälber geboren. Von allen geborenen Kälbern sterben 10-20% vor der Geburt oder durch Krankheiten [5].
Nachdem sie von ihrer Mutter getrennt worden sind, werden die Kälber mit Milchaustauscher aus Kälberfläschchen oder Tränkeeimern ernährt. Es besteht aus einem billigen Milchpulver, das mit warmem Wasser verrührt wird. Nachgewiesen wurde, dass Kälber bei ihren Müttern 10 Liter täglich trinken, während sie über die Tränke nur ca. sechs Liter am Tag zu sich nehmen [5].
Sie werden meist mit anderen, von ihren Müttern getrennten Milchkälbern, untergebracht [4]. Dabei werden die Kälber in zwei Gruppen geteilt: Ein Teil der weiblichen Kälber wird zu Milchkühen herangezogen. Die zur Milchzucht ausgewählten Milchkälber bekommen nach durchschnittlich 29 Monaten ihr erstes Kalb [5]. Sie ersetzen die erschöpften älteren Kühe, die durch zurückgehende Milchleistungen nicht mehr von Nutzen sind.
Die männlichen und der andere Teil der weiblichen Kälber werden nach zwei bis vier Wochen an auf Milchkälber spezialisierte Mastbetriebe abgegeben. Viele von diesen befinden sich in den Niederlanden oder in Frankreich. Die langen Transportwege der Kälber unterschiedlicher Betriebe auf engem Raum führen zu einer hohen Keimbelastung. Da ihr Immunsystem jedoch erst nach vier Monaten voll entwickelt ist, ist davon auszugehen, dass Krankheiten unter den Kälbern schnell ausbrechen können. Deshalb kommt in Kälbermast Antibiotika zum Einsatz.
Auch Bio-Milch-Betriebe – sie machen 2,3% aller deutschen Milchbetriebe aus [5] – geben ihre Kälber oft an konventionelle Mäster ab [4]. Tatsächlich ist das Mästen der Milchkälber besonders herausfordernd, da die Züchtung der Milchkuhrassen sich nicht auf guten Fleischansatz fokussiert. Frühzeitiges grundloses Töten wird vom deutschen Rechtsstaat aber im Tierschutzgesetz verboten [4].
Deshalb haben einige Betriebe verschiedene Lösungsansätze eingeführt, die den Nutzen der Jungtiere maximal steigern sollen. Eine wirklich optimale Lösung für den Umgang mit den männlichen Kälbern wurde jedoch noch nicht gefunden.
Beispielsweise wird versucht, so wenig Bullenkälber wie möglich zu erzeugen. Dabei wird das Sperma untersucht und die männlichen von den weiblichen Spermien getrennt. Im Resultat werden ungefähr 90% der Neugeborenen weiblich sein. Da die Untersuchung jedoch teuer ist und die Chance einer erfolgreichen Schwangerschaft damit sinkt, ist diese Methode nicht weit verbreitet.
Eine andere Lösung ist es, Zweitnutzungsrassen zu bevorzugen, die neben einer relativ hohen Milchleistung auch einen guten Fleischansatz bilden können. Dies würde aber weniger Milchabgabe zur Folge haben und auch das Besamungsmanagement aufwändiger machen. [4]
Ein dritter Ansatz versucht durch die Erhöhung der Zwischenkalbezeit weniger Geburten und damit weniger Kälber zu erzielen, für die eine „Verwendung“ gefunden werden muss. Muttertiere mit hohen Milchleistungen werden mit Samen von Leistungsbullen besamt und bekommen in der Folge Kälber, die sich gut für die Milchproduktion eignen. Die anderen Kühe werden mit Fleischbullensperma besamt und gebären Kälber, die gut Fleisch ansetzen [5].
Die Kälber, die für die konventionelle Mast ausgewählt werden, leben spätestens ab der neunten Woche in Gruppen zusammen. Obwohl Anbindehaltung in der Kälbermast verboten ist, wird ein Teil von ihnen immer noch so aufgezogen [5]. Der Stall schränkt durch seine Bauweise das Ausleben des Spiel- und Bewegungstriebes extrem ein: Die Kälber leben auf Vollspaltenböden aus Bongossiholz oder Beton, die üblicherweise aus Kostengründen während einer Mast nicht gereinigt werden. Durch Kot und Urin ist der Boden rutschig und die Kälber können sich nur vorsichtig bewegen. Obwohl die EU einen Liegebereich mit Einstreu für Kälber fordert, wurde diese Richtlinie nicht im deutschen Tierschutzgesetz aufgegriffen.
In den meisten Betrieben werden die gemästeten Milchkälber 22 Wochen nach ihrer Geburt geschlachtet [4].
Haltungsbedingungen von Milchkühen
Die Haltungsformen der Milchkühe im deutschen Inland unterscheiden sich stark untereinander.
Anbindehaltung
2015 lebten ungefähr eine Million Kühe in Anbindehaltung [3]. Diese ist hauptsächlich im Süden Deutschlands vorzufinden, da die Fläche der Betriebe dort kleiner ist. Kühe, die in Anbindehaltung leben, müssen mindestens 180 Tage im Jahr Weidegang haben [8]. Doch trotz der enormen Einschränkungen von Bewegungsfreiheit und Sozialleben lehnte das Bundeslandwirtschaftsministerium das Verbot der Anbindehaltung 2016 wegen wirtschaftlichen Aspekten ab [3].
Boxenlaufställe
Im Gegensatz dazu können sich die Kühe in Boxenlaufställen frei bewegen. Demnach ist der Stall unterteilt in Fress-, Liege- und Bewegungsbereiche und manchmal gibt es Zugang zu einem Laufhof. In ihnen ist sowohl das Entmisten als auch das Melken meist automatisiert. Etwa 70% der Milchkühe lebten 2010 in einem offenen Laufstall und es ist anzunehmen, dass dieser Prozentsatz in den letzten Jahren weiter gewachsen ist. [3]
Haltung mit regelmäßigem Weidegang ist kein Normalzustand. Nach Stand 2010 wird 75% der Milchkühe in Norddeutschland, 19% der Milchkühe in Ostdeutschland und 16% der Milchkühe in Bayern dieses „Privileg“ zuteil [5]. Der Grund dafür ist der große Unterschied der Betriebsgröße: Während bayrische Betriebe durchschnittlich 41 Kühe halten, sind es in Mecklenburg-Vorpommern 235 Kühe [3]. Insgesamt haben 42% der deutschen Milchkühe fünf Monate pro Jahr Weidegang [3]. Die Länge des Weidegangs hängt von der Betriebsgröße ab und variiert demnach stark. So ermöglichen Betriebe im Norden Deutschlands ihren Milchkühen regelmäßiger Weidegang als Betriebe im Süden Deutschlands. Die Wohlfühltemperatur von Kühen liegt zwischen -7 bis +17 Grad Celsius [3] – wenn es heißer ist, halten sich Kühe freiwillig häufiger im Stall auf.
Ein strapazierendes Leben
Um einen Liter Milch zu erzeugen, pumpt die Mutterkuh über 500 Liter Blut durch ihr Euter [2]. Die meisten Kühe werden 10 Monate lang bis wenige Wochen vor einer Geburt zweimal täglich an die Melkmaschine angeschlossen. Dabei steigert sich die produzierte Milchmenge von Jahr zu Jahr – gibt die junge Kuh nach ihrem ersten Kalb nur 15 kg am Tag, erreicht eine Kuh nach vier oder fünf Schwangerschaften bis zu 50 kg täglich [6]. Bei dieser hohen Milchleistung und den damit verbundenen enormen Stoffwechselumsätzen ist nährstoff- und energiereiches Futter von besonderer Bedeutung. Doch auch die Kombination von Grünfutter und Kraftfutter liefert häufig nicht genügend Nährstoffe für die Milchbildung, worunter die Kühe physisch leiden. Nach fünf Jahren sind die Tiere meist körperlich so strapaziert, dass sie altersschwach werden und für den Betrieb nicht mehr profitabel sind [2].
Der Tod
Aufgrund der zurückgehenden Milchleistung werden die Milchkühe nach fünf Jahren geschlachtet. Was jedoch wenig berücksichtigt wird: Bis zu 10% der Kühe sind bei der Schlachtung schwanger! Der Fötus im Leib der Mutter ist einem qualvollen Erstickungstod ausgesetzt.
Würden Kühe nicht dem ununterbrochenen Kreislauf aus Trächtigkeit und Laktation ausgesetzt sein, läge ihre natürliche Lebenserwartung bei 15 bis 30 Jahren [2].
[1] https://milchindustrie.de/marktdaten/erzeugung/ (26.04.2021)
[2] http://www.sagneinzumilch.de/produktion.php (26.04.2021)
[3] https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaft-verstehen/wie-arbeiten-tierhalter/haltungsformen-fuer-milchkuehe (26.04.2021)
[4] https://www.landwirtschaft.de/diskussion-und-dialog/tierhaltung/was-passiert-mit-den-kaelbern-von-milchkuehen (26.04.2021)
[5] https://provieh.de/die-ueberzaehligen-kaelber (26.04.2021)
[6] https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/trinken/milch/pwiediemilchkuheinlebenfuerdiemilch100.html (26.04.2021)
[7] https://www.milkivit.de/milkivit/resource.nsf/imgref/Download_Prospekt_LS-WhitePaper_D.pdf/$FILE/Prospekt_LS-WhitePaper_D.pdf (24.05.2021)
[8] https://www.elite-magazin.de/news/nachrichten/diskussion-um-vorgaben-fur-rinderhaltung-10828.html (27.05.2021)